Kein neuer CEOFacebook nimmt Whatsapp die Eigenständigkeit
Whatsapp bekommt keinen neuen CEO. Der Mutterkonzern Facebook nimmt der App die Unabhängigkeit.
Facebook krempelt die Unternehmensstruktur um und bündelt seine Apps – inklusive Whatsapp. (Video: sas, mit Bildern von Keystone, Facebook, «Recode» und «IT News Africa»)
Facebook hat im Rahmen einer grösseren organisatorischen Umstrukturierung seinen Mitarbeitern bekannt gegeben, wer bei Whatsapp auf CEO Jan Koum folgen wird. Chris Daniels, der bisherige Vizepräsident (VP) von Facebooks Nonprofit-Organisation Internet.org, wird VP bei Whatsapp, wie das News-Portal «Recode» berichtet.
Damit dürfte Whatsapp künftig keinen CEO mehr haben. Stattdessen bündelt Facebook die Leitung seiner Apps Instagram, Facebook, Messenger und Whatsapp als «Family of Apps». Sie soll von Chief Product Officer (CPO) Chris Cox geleitet werden.
Facebook übernimmt die Kontrolle
Somit nimmt Facebook auch bei Whatsapp die Zügel stärker in die Hand. 2014, als Facebook die Chat-App für 19 Milliarden US-Dollar kaufte, war die Angst gross, dass der Konzern beginnt, mit der App Daten zu sammeln und Werbung zu spielen. Darum habe Facebook mit einer Umstrukturierung gewartet, sagt Jean-Claude Frick, Digitalexperte von Comparis, zu 20 Minuten.
«Jetzt vollzieht sich bei Facebook und Whatsapp das, was man normalerweise bei einer milliardenschweren Geschäftsübernahme schon früher erwarten würde», so Frick. Facebook wolle Whatsapp endlich die Eigenständigkeit nehmen. Beim Konsumenten dürfte dieses Vorgehen das Gefühl verstärken, dass die Dienste des Unternehmens allesamt zu einem «grossen bösen Konzern» gehören.
Schach- statt Galionsfigur
Der neue VP von Whatsapp folgt auf Jan Koum, den prominenten Verteidiger von Whatsapps Werbefreiheit und Datenschutz. Für Frick ist klar, dass Facebook damit die «Galionsfigur Koum» mit einer weitgehend unbekannten Schachfigur ersetze. In Facebooks Verwaltungsrat, in dem Koum nun ebenfalls ausscheidet, wird Ende Mai statt eines Whatsapp-Repräsentanten der Cranemere-CEO Jeff Zients beitreten.
Daniels war seit knapp viereinhalb Jahren VP von Facebooks gemeinnütziger Organisation Internet.org. Die Wahl könnte laut Frick darauf abzielen, den Kunden vorzugaukeln, dass sich der neue VP für die Allgemeinheit mehr einsetzen würde als für das Unternehmen. Schlussendlich sei das aber ein Feigenblatt. Dazu kommt, dass Kritiker auch die gemeinnützigen Ziele von Internet.org in der Vergangenheit in Frage gestellt haben (siehe Box).
Ein Spezialist für Transformationen
Chris Cox, der neu die «Family of Apps» verantwortet, passt für Frick ebenfalls ins Bild. Cox sei ein ausgewiesener Spezialist für Transformationen wie diese. Er ist bereits seit 2014 CPO bei Facebook und war damit bisher schon für alle Produkte von Facebook zuständig.
Wie wird es also mit Whatsapp weitergehen? Facebooks bisherige Vorgehensweise und die Laufbahnen von Cox und Daniels lassen Frick vermuten, dass Whatsapp Business der Schlüssel zur Strategie von Facebook ist. Dabei handelt es sich um ein kostenpflichtiges Angebot für Unternehmen, mit dem sie über Whatsapp Kontakt mit ihren Kunden aufnehmen können.
Subtile Werbung
Der Dienst, der derzeit nur in einigen wenigen Ländern angeboten wird, könnte nach vielen schrittweisen Ausweitungen zu Werbung führen, die subtiler ist als klassische Banner: «Wenn ich etwa einen Laptop einer bestimmten Marke besitze, könnte mich der Hersteller nun auf Whatsapp kontaktieren und das neue Modell anwerben», so Frick.
Whatsapp Business sei aus Konsumentensicht ein «trojanisches Pferd». Kunden müssten etwa für Support nicht mehr zum Hörer greifen oder E-Mails schreiben, dafür werden sie zum einfachen Werbeziel für Firmen.
Facebook setzt auf Blockchain
Im Rahmen der Umstrukturierung schafft Facebook den neuen Bereich «Blockchain». Sven Ruoss, Social-Media-Experte an der Hochschule für Wirtschaft Zürich, hält das für einen klugen Schachzug: «Damit kann der Konzern neue Geschäftsmodelle erschliessen und sein heutiges Modell schützen.» Die Blockchain-Technologie gefährde nämlich das Konzept von Plattformen wie Facebook, Airbnb oder Uber, die als zentrale Vermittler fungieren. Künftig brauche es solche Vermittler nicht mehr.
Kritik an Internet.org
Chris Daniels war bisher VP von Facebooks Tochterorganisation Internet.org. Das selbsterklärte Ziel der Firma ist, Menschen, die bisher nicht ins Internet können, den Internetzugriff zu ermöglichen. Die Initiative erntete in der Vergangenheit Kritik. So hiess es etwa, der Internetzugriff sei sehr selektiv. Die Organisation ermöglicht den Zugang mittels einer App und Partnerschaften mit Telecomfirmen. Über die App können Nutzer kostenfrei auf bestimmte Websites zugreifen. Dazu gehört etwa Facebook. Der Verdacht liegt nahe, dass das Unternehmen vor allem neue Nutzer rekrutieren wolle.
Dazu kommt, dass manche Personen, die bereits Internetzugriff haben, die App nutzen, um Geld zu sparen. In solche Fällen ermögliche Internet.org nicht den Zugang zum Internet, sondern schränke diesen sogar ein, argumentieren die Kritiker, die darin einen Verstoss gegen die Netzneutralität sehen.